17. Etappe: Viel zu ernst

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Dienstag, 09.11.2021

von "Martim Longo" nach Évora. 148 km.

https://www.komoot.de/tour/557688967

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Mein Schlafsack-Überzug war feucht vor Frost. Trotzdem war es mir angenehm warm. Meine Augenlider waren geschwollen. Die Ursache dafür konnte ich nicht genau herausfinden, ob das wegen der Kälte in der Nacht (mein Gesicht schaute immer vom Schlafsack heraus) oder wegen der Sonne am Tag verursacht wurde. Ich war bis jetzt noch nie mit Sonnenbrille gefahren. Ich bin Brillenträger. Um meine Sonnenbrille zu tragen, müsste ich meine Kontaktlinsen tragen. Dann aber kann ich auf kurze Distanz nicht mehr scharf sehen und so auch nicht die Navigation auf meinem Handy klar lesen. Ich beschloss mit Sonnenbrille, aber ohne Kontaktlinsen zu fahren, aber das war mir dann doch zu gefährlich, weil ich Schlaglöcher zu spät sah.

Auf dem Land fuhr ich durch viele Dörfer. In Dörfern lebten viele ältere Menschen mit ernsthaften Gesichtern. Es ist sehr selten, dass ich zufriedene oder fröhliche Menschen sah. Manchmal hatte ich gegrüsst, manchmal hatte ich eine Erwiderung erhalten. Manchmal hatte ich überraschte Blicke erhalten. Es schien, dass die meisten Dorf-Bewohner ein trauriges Leben führten. Die Nationalmusik von Portugal ist Fado. Eine sehr schöne, aber sehr traurige Musik. Ich kann sie kaum länger als zwei Stunden hören. Länger ist die Traurigkeit kaum zu ertragen.

Die Menschheit lacht viel zu wenig. Schweizer lachen auch kaum. Das kommt natürlich immer darauf an mit wem man sich vergleicht. Verglichen mit einem Inder muss der Schweizer wohl ein glücklicher Mensch sein. In Brasilien wird viel gelacht. Brasilianer sind Gläubige Menschen. Vielleicht denken sie, dass das Paradies kommen wird und es da toll sein wird und dass es sich nicht lohnt, sich Sorgen zu machen. Portugal ist oder war ein frommes Land. Meine Grossmutter war auch fromm. Als sie ein Kind war starb ihr Bruder und die ganze Familie musste zwei Jahre (nicht wie damals üblich für ein Jahr) schwarze Kleider tragen. Trauer und Lachen gehen nicht mit einher.  

Weil die Menschheit zu lachen verlernt hat, kann man heute Lach-Seminare besuchen. So ein Seminar habe ich bisher noch nicht besucht. Alle Teilnehmer lachen dauerhaft einfach grundlos. Erfunden waren diese Lachseminare bestimmt in Indien. In Indien lachen nicht einmal mehr die Kinder. Welche Tragik (ich war sechs Monate in Indien). Lachen ist eine sehr schöne Gabe. Schade, dass nicht öfters gelacht wird.

In Béja besuchte ich die Burg. Die Aussicht vom Turm auf die umliegende Ebene war eindrücklich. Meine Oberschenkelmuskeln schmerzten beim Aufstieg auf den Burgturm. Sie waren von den vielen Velokilometern müde. Es gab auch eine Toilette und Gratis-Internet. Bis auf eine Ausnahme hatte ich für meine dicken Geschäfte auf meiner Reise immer Toiletten benutzt. 

Ich war mir nicht sicher, ob ich über Nacht hier bleiben soll, aber die Stadt war klein und schnell gesehen. 


Ich fuhr weiter nach Évora. Diese Stadt hatte ich auf meiner Landkarte markiert. Was bedeutete, dass es sich lohnen könnte, sie zu besuchen. Ich musste bei Dunkelheit eine Stunde lang einer kerzengeraden Hauptstrasse ohne Sicherheitsstreifen und Veloweg folgen bevor ich in Évora ankam. Das bedeutete, dass bei Gegenverkehr die Fahrzeuge hinter mir stoppen mussten. Ich hatte am Fahrrad hinten ein rotes Blinklicht installiert und fuhr mit einer Stirnlampe und hatte auch Reflektoren am Velo montiert, aber ich fühlte mich trotzdem nicht sicher genug. Ich fuhr so schnell ich konnte. Ich war heute hundertfünfzig Kilometer gefahren. Nach dem anstrengenden Tag hatte ich mir ein Bett im Hostel gegönnt. Ich würde morgen einen Ruhetag einlegen. Da war ich mir sicher.












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