16. Etappe: Das Wahrscheinlichkeitsprinzip

〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰

Montag, 08.11.2021

von Olhão nach "Martim Longo". 80 km.

https://www.komoot.de/tour/556246521

〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰〰

Vor der Abreise in Olhão war ich zur Post gegangen, um ein paar Sachen nach Hause zu schicken: ein Buch, worin ich noch keine einzige Seite gelesen hatte, schweren Herzens auch die Hängematte, die ich bis jetzt noch nie benutzt hatte und ein weiteres Buch über die Algarve, das ich vor ein paar Tagen als Souvenir gekauft hatte. Der Platz auf dem Velo war begrenzt und mein Rucksack wurde immer schwerer. Es bringt nichts überflüssiges Gepäck mitzuschleppen. Als ich von zu Hause abgeflogen war, waren meine Reisepläne ein wenig anders. Ich plante eigentlich im Norden von Portugal herumzureisen. Da soll es viele Flüsse geben, wo ich mich in meiner Hängematte, ein Buch lesend erholen konnte. Nun war ich in der Algarve gelandet und nutzte die kurze Tageszeit zum Fahren und die Dunkelheit zum Essen und Schlafen.

Als Schüler in der Schweiz bekamen wir eine Hausaufgabe: jede und jeder (sorry, wenn ich in der männlichen Form schreibe. Ist nicht persönlich gemeint und hat nur den praktischen Nutzen, die eine kürzere Form zu verwenden) musste eine Münze hundert Mal werfen und notieren, wie oft Zahl und Kopf geworfen wurden. Das Resultat war überraschend: bei allen war es mehr oder weniger Fifty-Fifty. Also ungefähr 50 Mal kam Zahl und 50 Mal Kopf. Dieses Experiment sollte uns das Wahrscheinlichkeitsprinzip aufzeigen. Wie ich viel später gelernt habe, lässt sich das Wahrscheinlichkeitsprinzip auf alle Bereiche des Lebens anwenden.

Ich war zum Wasserfall «Pego do Inferno» gefahren, der dreissig Kilometer weiter nördlich von Olhão liegt. Der Wasserfall gab es nicht, weil kein Wasser geflossen war, aber der Badetümpel davor war mit Wasser gefüllt. Das Wasser war eisig kalt, aber der Ort war idyllisch. Genau richtig um den Tag in der Hängematte und einem Buch lesend zu verbringen. Die zwei Bäume für die Hängematte gab es auch. Man könnte jetzt sagen: «ja, das ist ja wieder mal typisch. Warum habe ich nur die Hängematte weggeschickt?». Jeder erlebt so eine Situation ständig. Es ist aber nichts weiter als das Wahrscheinlichkeitsprinzip: eine fünfzig prozentige Chance, dass ich diese Hängematte nochmals benutzen würde. So eine Situation passiert ständig, aber es fällt nur auf, wenn etwas misslingt. Die positiven Dinge ignoriert man gerne.

Ich fuhr weiter gegen den Norden. Dieses Mal nicht mehr der Küste entlang, sondern im Inland. Es gab Gegenwind, auch wenn nicht allzu stark. Auf der Fahrt in den Süden blies der Wind meistens von Nord-Nord- West. Also hatte ich Rückenwind. Auf der Fahrt in den Norden blies er von ungefähr derselben Richtung - also hatte ich Gegenwind. Der Gegenwind aber war nicht sehr stark. Die Nebenstrassen waren gut und zum Glück nur wenig befahren, so dass ich sie fast für mich alleine benutzen konnte. Es ging hoch und runter. An diesem Tag hatte ich viele Höhenmeter gemacht. Mir ging fast das Trinkwasser aus, weil die Gegend kaum bewohnt war. An einem Fluss hatte ich meine Schlafstelle eingerichtet. Es war eine öffentliche Feuerstelle mit Tischen, die ich alleine nutzte. Ich schrieb meine heutigen Reisebericht und hörte dabei Musik. Es war gut, dass ich mein Notebook mitgenommen hatte. Das bescheidene Nachtessen hatte ich ich beim letzten Stopp kurz vor meiner Schlafstelle gekauft habe. Die Chips waren noch halb voll, aber das Bier war leider schon leer. Heute hatte ich weniger als zwanzig Euro ausgegeben. Zeit, ins Bett zu gehen auch wenn es erst 19:00 Uhr ist. Es war dunkel und weit und breit nur Dunkelheit und der Mond auf kleinster Grösse (Neumond). Morgen würde ich gerne früh losfahren.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

14. Etappe: Navigation

Inhaltsverzeichnis

2. Etappe: Der Swinger-Wald