Zurückhaltende Portugiesen treffen gehemmten Schweizer

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Dienstag, 16.11.2021

Viséu

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Ich blieb in Viseu und hatte mir die historische Altstadt, Kirchen und Museen angesehen. Ich brauchte nicht lange um die Sehenswürdigkeiten zu sehen. Ich blieb, weil ich einfach keine Lust, zum Velofahren hatte. Ein kühler Wind blies. Es war den ganzen Tag nie wärmer als 15 Grad und ein Besuch eines Cafes war nur angenehm, falls es im Aussenbereich Plätze an der Sonne gab.

Im Hostel waren ein paar portugiesische Gäste. Ich hatte nie mit ihnen gesprochen. Es war auch schon wie in Évora im Hostel: es gab überhaupt keine Diskussion mit ihnen. In anderen Hostels mit internationalen Gästen fand ich schnell Gesprächspartner und man interessierte sich, woher die Reisenden kamen, was sie taten, wie lange sie reisten, wohin sie reisten, usw. Warum es nicht einfach war, Portugiesen kennenzulernen, hatte ich nie verstanden. Ich konnte nur darüber spekulieren. An der Sprache konnte es eigentlich nicht gelegen haben, weil die meisten Portugiesen so gutes Englisch sprechen wie die anderen Nationen auch. Nicht fliessend aber ohne Akzent, so dass es nicht möglich ist, ihre Nationalität zu erraten. Portugiesen waren keine aufdringliche Menschen. Ich wünschte ich würde ein wenig mehr Aufmerksamkeit bekommen haben. Es war aber nicht so, dass ich nach Ladenschluss von den Mitarbeitern der Restaurants vergessen worden wäre und die Nacht im Restaurant hätte verbringen müssen. Ich fühlte mich manchmal wie Luft. Selbst wenn ich mit dem Velo und Gepäck die 1500 Höhenmeter zum höchsten Berg Portugals hochradelte, was wirklich nicht was alltägliches war, war das kaum ein Blick wert. Vielleicht wäre es was besonderes gewesen, nackt auf dem Velo zu fahren. Ich konnte nur spekulieren. Auf alle Fälle wurde ich von Portugiesen in Ruhe gelassen und nie belästigt. Ich hatte während meiner ganzen Reise nie Angst beraubt oder betrogen zu werden, noch musste ich mich um mein Hab und Gut Sorgen machen und schon gar nicht um mein Leben fürchten. Vielen Dank liebe Portugiesen.

Eine Kommunikation mit Portugiesen kam nur zustande, wenn ich selbst die Diskussion begonnen hatte. Schweizer sind auch eher als zurückhaltende Menschen bekannt und so gehemmt, dass sie sich nicht trauen, eine Kommunikation zu starten, weil sie denken was Falsches, Unnötiges, Unbrauchbares oder Ungewünschtes zu sagen oder einfach nur in Ruhe gelassen zu werden. Das kann man gut beim Skifahren erleben. Die meisten Schweizer würden am liebsten auf dem Skilift alleine hochfahren, den Sessellift, die Gondel oder Schwebebahn für sich alleine nutzen oder mindestens müsste so viel Platz zwischen den Passagieren sein, so dass man nicht auf die Gedanken kommen könnte, eine Diskussion zu beginnen. Man müsste sich ein Skigebiet voller Brasilianer vorstellen: Auf der Bergfahrt würden alle drauf losschwatzen und zum Runterfahren würde das Gelächter in den Bergen hallen, weil es ein riesiges Gaudi ist, auch wenn niemand wirklich Skifahren könnte. Arme Schweiz, aber gemäss Glücklichkeit-Skala in den Top-Five und vermutlich hundert Plätze vor den Brasilianern und anderen sogenannten unzivilisierten und ärmeren Ländern.

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